Das Leitbild der Behindertenrechtskonvention ist „Inklusion“. Es geht nicht darum, dass sich der oder die Einzelne anpassen muss, um teilhaben und selbst gestalten zu können. Es geht darum, dass sich unsere Gesellschaft öffnet, dass Vielfalt unser selbstverständliches Leitbild wird. Es geht um eine tolerante Gesellschaft, in der alle mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und Voraussetzungen wertvoll sind.
Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird maßgeblich über die Teilnahme am Arbeitsleben beeinflusst. Über eine Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt definiert sich der soziale Status einer Person. Arbeit ermöglicht die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit durch die Zusammenarbeit mit anderen Menschen und die Anerkennung von Arbeitsergebnissen. Ebenso ermöglicht Arbeit lebenslanges Lernen für alle Lebensbereiche. Arbeitsmarktbezogene Bildung ist eine wichtige Voraussetzung, dies zu realisieren. Auch für Menschen mit Behinderung muss es möglich sein, ihr Arbeitsleben selbstbestimmt zu gestalten. Dies ist die Voraussetzung für sinnhaftes Tätigsein, Selbständigkeit und Zufriedenheit. Berufliche Qualifizierung erhöht nicht nur die fachlichen Kompetenzen, sondern man erwirbt auch Schlüsselqualifikationen, die man auf jedem Arbeitsplatz braucht, nicht nur auf dem ersten Arbeitsmarkt, sondern auch auf Arbeitsplätzen, die die WfbM anbieten kann.
Konkrete Ansatzpunkte für einen zielgerichteten Berufsfindungsprozess sind aktives handlungs- und erfahrungsorientiertes Lernen, abgestimmt auf die Persönlichkeit des Menschen mit Behinderung. Die berufliche Bildung in den DRK Werkstätten Geithain ist danach ausgerichtet, arbeits- und berufsbezogenes Wissen zu vermitteln. Dies geschieht stets, in Einheit mit der Weiterentwicklung der Persönlichkeit der behinderten Menschen, mit dem Ziel, aktiv am Arbeitsleben der Werkstatt oder eines Betriebes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt teilnehmen zu können.
Der Prozess der beruflichen Bildung wird so organisiert, dass die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen der behinderten Menschen ermittelt und zur Grundlage der individuellen Bildungsplanung gemacht werden. Abgestimmt mit den Erfordernissen und Möglichkeiten des Produktionsprozesses, werden mit den behinderten Menschen gemeinsam individualisierte und angemessene Bildungsangebote im Berufsbildungs- und Arbeitsbereich entwickelt und umgesetzt. Um den hohen Anforderungen und dem angestrebten Bildungsniveau gerecht zu werden, qualifizieren sich die Teilnehmer in den DRK Werkstätten Geithain unter anderem nach dem Konzept PRAXISBAUSTEIN.
Nach der Aufnahme in die DRK Werkstätten Geithain, welche kontinuierlich möglich ist, durchlaufen Teilnehmende das Eingangsverfahren (EV). Das Eingangsverfahren dauert bis zu 3 Monaten. Wird im Einzelfall festgestellt, dass eine kürzere Leistungsdauer ausreichend ist, kann die Dauer auf bis zu 4 Wochen verkürzt werden.
Als standardisiertes, anerkanntes Verfahren, nutzen wir hamet e für eine schnelle, systematische und strukturierte Eingangsdiagnostik, welche von den jeweiligen Kostenträgern anerkannt ist. Das Eingangsverfahren wird finanziert durch den zuständigen Rehabilitationsträger (Bundesagentur für Arbeit, die gesetzliche Rentenversicherung oder eine Berufsgenossenschaft). Ziel des Eingangsverfahrens ist es, festzustellen, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilnehmenden ist.
Den neu aufgenommenen Teilnehmern, soll der Start bzw. die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben und in die Berufliche Bildung erleichtert werden. In diesem Zeitraum lernen sie bereits alle relevanten Bildungsbereiche kennen und machen erste Arbeitserprobungen, bei denen sich handwerkliche und körperliche Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Neigungen und Eignung herauskristallisieren. Durch weitere Testungen und Gespräche können gezielt Kompetenzen, aber auch Wünsche und Interessen herausgefunden werden und gemeinsam mit dem Teilnehmenden ein Eingliederungsplan erstellt werden.
Der Begleitende Dienst, in diesem Fall das pädagogische Fachpersonal für soziale Arbeit, berät dabei und unterstützt die Teilnehmenden und ist der Kontakt zu den Angehörigen und Betreuenden als auch den Kostenträgern.
Während des Eingangsverfahrens erfolgt die Vermittlung von allgemeinen Inhalten wie Arbeitssicherheit, Unfallschutz, Brandschutz, Erste Hilfe sowie auch lebenspraktischen Inhalten wie z.B. der gesunden Ernährung und Umgang mit Geld. Die Teilnehmenden werden über ihre Rechte und Pflichten informiert. Die Unterweisungen finden in Kleingruppen von 6 Personen statt und werden von der Gruppenleitung unterstützt. Im Eingangsverfahren erfolgen mehrere kurze Praktika (ca. 3-5 Tage) in einem der verschiedenen Arbeitsbereiche der Werkstatt: z.B. in der Hauswirtschaft (Küche und Service), in Abteilungen verschiedener Werkstoffe (Tischlerei, Metallbearbeitung, Montage, Komplettierung) oder in der Lagerlogistik (Lager, Papier und Verpackung). Durch Auswertungsgespräche mit den Teilnehmern und der jeweiligen Gruppenleitung, wird das geeignete Berufsfeld zur weiteren beruflichen Bildung und Förderung gefunden.
Am Ende des Eingangsverfahrens gibt es ein Auswertungsgespräch. Bei diesem entscheiden die Teilnehmenden gemeinsam mit der Bildungsbegleitung und dem Gruppenleiter: ob die Werkstatt die richtige Einrichtung ist und wie es weitergehen soll.
Im Entwicklungsbericht werden die Leistungen des Teilnehmenden aufgeschrieben und es wird eine Empfehlung für die weiteren beruflichen Schritte geben. Wenn der/die Teilnehmende in den DRK Werkstätten Geithain bleiben möchte und auch die Einschätzung der Werkstattmitarbeiter eine Fortsetzung befürwortet, wird eine Bildungsvereinbarung abgeschlossen, in der steht, welches Berufsfeld der Teilnehmende erlernen möchte, welche Qualifizierungsbereiche gewählt werden und ob ein Praktikum auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgen soll.
Während der regulären 2-Jährigen Dauer des Berufsbildungsbereiches (BBB), lernen die Teilnehmenden Fachwissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aus einem Berufsfeld. Die Inhalte sind angelehnt an Ausbildungsrahmenpläne der entsprechenden Ausbildungsberufe und konzentrieren sich auf bestimmte Kompetenzen der einzelnen Berufsbilder., wie z.B.: „Das Sägen mit der Handsäge“ (Berufsbild Tischler/Holzbearbeitung).
Als Vermittlungsstruktur nutzen wir ausschließlich das Verfahren PRAXISBAUSTEIN. Seit September 2021 sind die DRK Werkstätten Geithain dafür zertifiziert.
Die Bildungsvereinbarung über die Absolvierung von Praxisbausteinen wird mit den Teilnehmenden innerhalb des ersten Berufsbildungsjahres abgeschlossen. Erst dann ist klar, welche Praxisbausteine jeder einzelne Teilnehmende konkret absolviert. Bereits im Eingangsverfahren wird aber mit der Unterweisung der Lerneinheiten (insbesondere Teil A und B) begonnen.
Die theoretischen Anteile der Lerneinheiten werden in der Regel in den 2 Gruppenräumen bzw. im Schulungsraum des Berufsbildungsbereiches durch die jeweiligen Gruppenleiter_innen des BBB angeboten. Einzelne Themen werden in Absprache auch von anderen Referenten angeboten. Zum Beispiel „Der Werkstattvertrag“ durch den Begleitenden Dienst und/oder „Kennen lernen der Unternehmensgruppe“ durch den Bereichsleiter.
Die praktischen Inhalte werden grundlegend durch die Gruppenleitung des BBB vermittelt. Je nach Praxisfeld in verschiedenen Formen. Zum Beispiel im Bereich Verpackung werden Teile von Kundenaufträgen, separat im BBB abgearbeitet und fertiggestellt.
Die Gruppenleitung des BBB stimmt sich mit der Gruppenleitung des Arbeitsbereiches über Zielstellung und Ergebnis ab. Fachliche Inhalte werden mit dem/der Verantwortlichen für die Berufskunde abgestimmt. Diese/r ist insbesondere auch bei der Erarbeitung der Bildungsmaterialien einbezogen. Zum überwiegenden Teil unterstützen dafür die Gruppenleiter aus den jeweiligen Arbeitsbereichen. Es findet ein regelmäßiger Austausch mit den Fachbereichen statt. In diesen werden unter anderem die Anforderungen für die entsprechende Qualifizierung der Teilnehmenden besprochen und wie das jeweils angestrebte bzw. vereinbarte Bildungsziel erreicht werden kann.
Nach dem Erreichen der Mindeststundenanzahl der vermittelten Inhalte sowie erfolgreicher Leistungsfeststellung erhalten Teilnehmende ein von den Kammern anerkanntes Zertifikat. Absolvent*innen haben mit PRAXISBAUSTEIN gute Chancen auf einen geeigneten Arbeitsplatz in der Werkstatt oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Auftrags- bzw. Arbeitgeber*innen erhalten so konkrete Angaben zur individuellen Leistungsfähigkeit.
Für jeden Teilnehmer wird eine individuelle Förderplanung erstellt, in dem aktuelle Situationen, Maßnahmen sowie Bildungsziele dokumentiert werden. In einem Gesamtüberblick werden alle absolvierten Maßnahmen, Kurse sowie Praktika festgehalten.
Das durch PRAXISBAUSTEIN vorgegebene Dokumentationssystem wird angewandt. Des Weiteren dienen folgende Instrumente zur Sicherung der Umsetzung:
Qualifizierung in den verschiedenen Berufsfeldern
Im Berufsbildungsbereich werden Qualifizierungen (PRAXISBAUSTEINE) in den folgenden Berufsfeldern angeboten:
Berufsfeld | Praxisfeld | Praxisbaustein |
Hauswirtschaft | Küche und Service | Herstellen von einfachen kalten Speisen |
Metall-und Anlagenbau | Montage | Montieren von Bauteilen und Baugruppen |
Lager- und Transportarbeiter | Lager, Logistik und Verpackung | Manuelles Verpacken von Gütern |
Bauberufe, Holzverarbeitung | Holzbearbeitung | Behandeln und Veredeln von Oberflächen |
Steinbearbeitung | Keramik | Herstellen von Halbfabrikaten: Gießen |
Gartenbau | Landwirtschaft, Natur und Umwelt | Manuelle Pflege von bepflanzten Flächen |
Kaufmännische Büroberufe | Bürodienstleistung | Digitalisieren von Dokumenten |
Die Berufliche Bildung wird auf allen Binnendifferenzierungsstufen angeboten: tätigkeitsorientiert, arbeitsplatzorientiert, berufsfeldorientiert, berufsbildorientiert.
Personen, die bereits viele berufliche Erfahrungen aufweisen und schon einmal im Berufsleben gestanden haben, können den Berufsbildungsbereich auch direkt im Arbeitsbereich absolvieren und werden auch direkt im Arbeitsbereich qualifiziert.